Foto: SOS Bihać 

Vor zwei Jahren hat der deutsche Journalist Dirk Planert die bosnische Hilfsorganisation „SOS Bihać“ mit aufgebaut, die unter anderem humanitäre Hilfe für Flüchtlinge leistet und die von Building ONE World finanziell unterstützt wird. Nun will Planert erneut in die kroatisch-bosnische Grenzregion reisen und ruft zu Spenden auf. Er schreibt:

Liebe Freunde!

„Der Teufel tanzt um die Stadt und wirft brüllend Feuer und Stahl auf uns“.

Das ist der Text für ein Foto, das ich 1994 in Bosnien gemacht habe. Erst vor Kurzem habe ich den Satz dazu geschrieben. Kaum ahnend, dass dieses Brüllen so plötzlich und so nah wieder zu hören sein wird. Das war vor dem 24. Februar 2022 um etwa 5 Uhr morgens.

Mit dem Satz habe ich es immerhin gestreift, aber nicht getroffen. Viele Jahre lang habe ich sogar gedacht, es sei unsagbar. Das, was man erlebt, wenn um einen herum Krieg ist. Bis ich ein Buch der Kriegsjournalistin Carolin Emcke las. Sie hat sich naturgemäß ebenfalls darüber Gedanken gemacht und kam zu dem Schluss, dass nur Gott unsagbar sei. Wenn wir das was der Krieg ist, unsagbar nennen, dann heben wir es auf eine göttliche Stufe. Das wäre falsch! Also muss es eine Lösung in Form von Wörtern geben, um es sagbar zu machen. Seitdem habe ich keine Ausrede mehr, wenn ich Wörter suche. Eine wirkliche Lösung habe ich trotzdem noch nicht gefunden. Immerhin aber diesen Satz: „Der Teufel tanzt um die Stadt und wirft brüllend Feuer und Stahl auf uns“. Jetzt gerade müssen Menschen das erleben. Ich bin sprachlos. Ich habe nur diesen Satz, danach kommt nichts, das sagbarer wäre.

Es fällt nicht leicht, trotzdem hier zu sein und weiterzumachen wie geplant. Das erscheint mir zum jetzigen Zeitpunkt das Vernünftigste. Deshalb bleibe ich bei meinem Plan. Ich fahre Mitte des Monats für zwei Wochen nach Bihać in Bosnien, um dort in einem der Brennpunkte der „Balkanroute“ humanitäre Hilfe zu leisten. Aus den Nachrichten sind die Flüchtlinge in Bosnien verschwunden. Zurzeit sehen wir nur offene europäische Grenzen in den Medien. Die Balkanroute aber wird nach wie vor für Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien, Pakistan usw. geschlossen gehalten. Aus der Gesamtsituation entsteht ein grausames Elend der flüchtenden Menschen, die häufig weder versorgt werden, noch Zugang in das Gesundheitssystem haben. Ich werde in Bihać als Freiwilliger der bosnischen Hilfsorganisation SOS Bihać arbeiten, die ich vor zwei Jahren mit aufgebaut habe. Während der Pandemie war ich in Deutschland und habe das Wachsen der Hilfsorganisation aus der Ferne begleitet. Mittlerweile bin ich ausgebildeter Rettungssanitäter und SOS Bihać hat sich zur stärksten Hilfsorganisation der Region entwickelt.

Ich habe in den vergangenen Wochen medizinisches Material gesammelt und bereits nach Bihać geschickt. Gestern sind die Kisten mit Mullbinden, Kompressen, Infusionssysteme etc. angekommen. Was da ist, brauche ich vor Ort nicht zu kaufen. Das Fundament steht also. Trotzdem brauche ich Geld, um Lücken zu füllen. Das sind je nach Situationen die ich vorfinde: Lunchpakete und andere Lebensmittel zur Verteilung aus meinem PKW, Nachkauf von verbrauchten Medikamenten und Salben usw. in Apotheken, Kistenweise Brot und Wasser, warme Socken und Diesel. Dazu kommt all das, was sich erst ergibt, wenn Menschen in teilweise lebensbedrohlichen Situationen mitten im Wald vor einem stehen. Taschenlampen zum Beispiel.

Wer die Arbeit von Planert und SOS Bihać unterstützen möchte, der kann das über Building ONE World (Stichwort: Bosnien – SOS Bihać) tun. Weitere Infos gibt`s hier.

Für Building ONE World hält Helga Mönxelhaus aus Braunshausen den Kontakt zu Planert und zu „SOS Bihać“. Sie schrieb bereits im November 2021 folgende Gedanken auf:

Jesus war ein Flüchtling. ALLE JAHRE WIEDER feiern wir Weihnachten und …

Diese Überschrift kommt Ihnen bekannt vor? Nein, dieses ist nicht der Bericht vom letzten oder vorletzten Dezember. Aber: alle Jahr wieder sind die gleichen schlimmen Missstände zu beschreiben. Spätestens jedes Jahr im Dezember schaut die Welt gezwungenermaßen – wegen der winterlichen Verhältnisse –  auf die Grenz-Situation in Kroatien.

Dieses Land gehört zur EU. Im Nachbarland Bosnien versuchen viele Migranten über die streng bewachte Grenze nach Kroatien zu gelangen. Geflüchtete berichten schon seit Jahren, dass die Wachleute auf kroatischer Seite die Migranten (auch Schwangere und Kinder) bei Grenzübertritt demütigen und verletzen, es gibt Tote. Die sog. Grenzschützer nehmen den Migranten Handys und Geld ab, ebenso Schuhe und Jacken und prügeln sie dann mit Schlagstöcken über die Grenze zurück nach Bosnien. Im Winter heißt das: barfuß durch den Schnee, ohne Jacke.

Am 6. 10. 2021 berichtete die Tagesschau erstmals mit Film-Material von diesen illegalen Pushbacks. Möglich gemacht hat diese filmische Dokumentation ein Rechercheteam, in dem u.a. „Monitor“ und der „Spiegel“ mitgearbeitet haben. Die Schläger wurden als kroatische Polizisten identifiziert, die für die Operation „Koridor“ arbeiten, die teilweise von der EU finanziert wird. Das Rechercheteam hat die insgesamt 17 Menschen, die bei dem  gefilmten Pushback verletzt wurden – darunter 6 Minderjährige – gesprochen. Sie haben an der Grenze deutlich nach „Asyl“ gefragt. Die Pushbacks der Kroaten verstoßen hier gleich gegen 3 Rechtsansprüche der Migranten: 1. internationales Recht, 2. EU-Recht, 3. die Genfer Konvention, deshalb sind sie illegal. Das Innenministerium in Zagreb weiß angeblich von nichts, die EU weiß angeblich von nichts…und das geht schon jahrelang so, jeden Tag. Die EU, das sind auch wir. Wir zahlen für diese unmenschliche Behandlung der Schutzsuchenden!

Wieder zurück auf bosnischer Seite leben diese Menschen in den Wäldern an der Grenze, schlafen unter Plastikplanen im Wald. Es sind Tausende! Manche leben in Lagern zusammen…bis der Schnee kommt… und die Welt mit ihren Kameras…die Menschen drohen zu erfrieren…kurze Medienpräsenz…spätestens nach Weihnachten sind die meisten Kameras wieder weg, aber die Geflüchteten sind noch da…das ganze Jahr!

Isabel Schayani kam im Februar 2021 nochmal mit Kameras vorbei und machte die Doku „Ohne Recht und Gesetz“, „Was Menschen riskieren, um über die bosnisch-kroatische Grenze zu kommen.“ Auch der Grünen-Europa-Abgeordnete Erik Marquardt war schon vor Ort und setzt sich ein.

In diesem Jahr kam der deutschen Bevölkerung eine solche Situation zumindest geographisch schon etwas näher … und früher als üblich. An der polnisch-belarussischen Grenze kann man mehr oder weniger verfolgen, wie solche Pushbacks ablaufen…mit Verletzten, Kranken, Frierenden, Toten.

Seit Jahren schiebt die EU mögliche Lösungen des Asyl-Problems vor sich her. Sie hält sich nicht an ihre eigenen Gesetze und die Meisten finden das ganz normal, allen voran Herr Seehofer. Der Migrationsforscher Gerald Knaus hat im Oktober 2021 in diesem Zusammenhang gemahnt: „Die EU darf sich nicht in einen Wettbewerb der Brutalität begeben.“

Building ONE World unterstützt „SOS Bihać “ in Bosnien mit Geld. Das ist ein Team von 30 Leuten, die unter der Leitung von Zlatan Kovacevic die verletzten Menschen im Grenzgebiet in Bosnien mit ärztlicher Hilfe nach den Pushbacks sowie mit Nahrung und Kleidung versorgt – nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über! BOW hat die Organisation immer im Blick und hilft auch während des restlichen Jahres mit Spenden. Außerdem haben wir dieses Jahr an einem Zoom-Meeting der bayrischen Akademie teilgenommen, in dem Zlatan das Neueste berichtete. Zlatan, der nur mit Hilfe einer Prothese laufen kann, da er im Krieg ein Bein verloren hat, ist im Dauer-Einsatz. Helfen wir ihm dabei!! Die EU tut es nicht! Denn das Geld, das die EU in diesem Kontext schickt, kommt nicht dort an, wo es hin soll.

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