„Von Europa vergessen“ lautet der Titel eines Zoom-Meetings der Europäischen Akademie Bayern am 22.6.2021. Moderator Dominik Tomenendal spricht in dieser Runde unter anderem mit Zlatan Kovačević von SOS Bihać über die aktuelle (Flüchtlings-)Lage in Nord-Bosnien. Helga Mönxelhaus war für BOW war dabei und hat die Informationen in einem aktuellen Lagebreicht zusammengefasst.

Wenn wir uns an den vergangenen Winter in Bosnien erinnern, so unterscheidet er sich nicht wesentlich vom Winter davor. Flüchtlinge, die auf der sogenannten Balkanroute in Bosnien vor den Toren der EU an der Grenze zu Kroatien gestrandet waren, litten genauso an Hunger und Kälte wie im Winter zuvor. Im Grenzgebiet bis 80 Kilometer Entfernung dürfen keine Camps entstehen, also haben auch diesen vergangenen Winter die Menschen in Zelten und unter Planen den Minusgraden getrotzt. Es ist verboten, in diesem Grenzstreifen den Flüchtlingen zu helfen. SOS Bihać hilft trotzdem mit Nahrung, Kleidung und medizinischer Grundversorgung. Im Zoom-Meeting fordert Zlatan, dass diese Hilfe von der EU endlich legalisiert wird.

Zur Erinnerung: Die Geflüchteten halten sich in den Wäldern kurz vor der bosnisch-kroatischen Grenze auf, weil sie in Kroatien Asyl beantragen wollen. Aber die Abschottungspolitik der EU beinhaltet sogenannte Push-Backs, das heißt die Menschen werden durch die „Grenzschützer“ von Frontex zurückgedrängt. Nicht nur zurückgedrängt, sondern verprügelt, misshandelt, gedemütigt und ausgeraubt. Normalerweise dürften diese Flüchtlinge an dieser Grenze um Asyl bitten, so sagt es das EU-Recht, das internationale Recht und die Genfer Konvention. Aber hier passiert 100.000-facher Rechtsbruch, indem sie zurückgedrängt werden.
Im Dezember brannte Camp Lipa ab. Von jetzt auf gleich hatten die Flüchtlinge dort kein Dach mehr über dem Kopf. Es dauerte viele Tage, bis Zuständigkeiten geklärt waren. SOS Bihać hat auch diesen Menschen geholfen.

Flüchtlinge und Hilfsorganisationen wie SOS Bihać geraten immer wieder in ein „politisches Spiel“, das heißt die EU führt ihre Abschottungspolitik an der EU-Außengrenze weiter, Bosnien hört auf die EU-Politiker. Geld fließt genug, nur nicht dorthin, wo es gebraucht wird. Und es wird nicht so effektiv eingesetzt, wie es nötig wäre. Obendrein fehlt die Kontrolle.

Aktuell brennt weder ein Flüchtlingslager in Bosnien noch müssen die Geflüchteten frieren. Bosnien ist in den Medien kein großes Thema mehr. Spendengelder werden weniger. Dennoch: Die Versorgung der Flüchtlinge muss gesichert sein – auch im Sommer. Und: „Der nächste Winter kommt“, sagt Zlatan und fordert mehr Solidarität in der EU.

Bosnien ist überfordert. Der Krieg vor 25 Jahren mit dem erlebten Genozid führt noch immer zu Spannungen im Land. Funktionierende politische Strukturen fehlen, die Einkommen sind sehr niedrig oder fehlen ganz, Ärzte wandern ab… Bosnien ist ein ressourcenreiches Land, bekommt von der EU Gesetze übergestülpt, wird ausgenutzt. Die großen Hilfsorganisationen wie das Internationale Rote Kreuz helfen mal mehr mal weniger.

SOS Bihać ist im Dauereinsatz. Building ONE World hat Zlatan und seine Mitarbeiter auch im vergangenen Winter unterstützt und möchte es weiter tun. Wir zeigen damit unsere Solidarität, die von offizieller Seite nicht kommt. Spenden (Stichwort: Bosnien – Flüchtlingshelfer) ist hier direkt über unsere Homepage möglich.

SOS Bihać ist der Partner des Aachener Netzwerks in Bosnien. Wir leiten alle Spenden über Aachen weiter an SOS Bihać. Damit hilft SOS Bihać nicht nur Geflüchteten, sondern jedem Menschen, der in Not ist, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft oder Religion. Das Aachener Netzwerk dokumentiert seine (und damit auch unsere) Hilfe in Rundbriefen, eine Lektüre ist sehr empfehlenswert.

Text: Helga Mönxelhaus, Foto: Aachener Netzwerk

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