„Ich bin der Verantwortliche für das Haus der Kinder, das größte Zentrum in Cochabamba, welches schwererkrankte Kinder und Jugendliche auffängt. Es ist 03:51 Uhr am Morgen. Die meisten Kinder schlafen gerade friedlich. Nur nicht Juan. Er ist 9 Jahre alt und leidet unter einem Hydrocephalus. Er wurde uns vom Krankenhaus vermittelt. Er kam zu uns, als er 3 Monate alt war.“

Mit diesen einführenden Worten wendet sich Aristides an das bolivianische Gesundheitsministerium, um auf die großen Herausforderungen während der Pandemie aufmerksam zu machen, welche auch Bolivien im Jahr 2021 sehr hart getroffen hat.

Aristides ist der Gründer des Hauses der Kinder „Casa de Niños“, in dem mittlerweile über 500 schwer erkrankte Kinder mit ihren Familien leben. Viele von ihnen kommen zu Aristides, weil sie mit der Krankheit überfordert sind. Diese Familien können sich die Kosten für eine Behandlung nicht leisten und werden in medizinischen Zentren abgewiesen. Andere Kinder und Jugendliche werden über verschiedene Institutionen zu Aristides vermittelt, weil sie aufgrund von Krankheiten abgegeben oder auf der Straße ausgesetzt wurden.

„Neben der eigenen, kleinen Kapelle unserer Herberge befindet sich ein Ort, an dem 31 Kinder beerdigt liegen. Sie sind hier verstorben, viele von ihnen in meinen Armen. Jetzt beschützen sie uns vom Himmel heraus.“

Aristides erklärt, dass die Pandemie die sowieso schon sehr schwierige Situation der gesundheitlichen Versorgung in Bolivien noch erschwert hat. Das Zentrum erlebt schwierige Zeiten, in denen besonders die Ärmsten der bolivianischen Familien leiden müssen.

Aristides erzählt:

„Am vierten Juli haben wir den leblosen Körper des kleinen Miguel Angel zurück in unser Zentrum gebracht. Er war zehn Jahre alt und verstarb an den Folgen einer Lungenentzündung. Er war stark unterernährt und litt am Down-Syndrom.

Am achten Juli holte ich in meinen Armen die kleine Betania aus dem Leichenhaus zurück in unser Zentrum. Sie war vier Jahre alt und wurde zuletzt in einem Kinderkrankenhaus intubiert. Die Ärzte versuchten alles, um ihr Leben zu retten. Ihre jungen Eltern sind zuvor von einem Krankenhaus ins nächste gegangen, bis sie endliche Hilfe bekamen. Eine Woche zuvor spielte ihre kleine Tochter noch fröhlich mit den Hühnern in ihrem bescheidenen Haus auf dem Land, jetzt können sich ihre Eltern nicht erklären, wieso sie sterben musste.

Vier Tage später holten wir den leblosen Körper des kleinen Joel in unser Zentrum. Er war acht Jahre alt. Das Virus und eine Epilepsie hatten seinem kleinen Körper sehr zugesetzt. Es halfen keine Medikamente mehr.

Innerhalb von vier Tagen im August sind zwei Kinder an Krebs gestorben. Die kleine Ruth war kurz davor ihren fünften Geburtstag zu feiern. Ihr kurzes Leben war geprägt von Schmerzen. In meinen Armen habe ich sie ins Auto tragen müssen. Jhoselin war 12 Jahre alt. Der Krebs hatte das Rückenmark befallen. An ihrem letzten Tag bat sie mich mit ihrer schwachen Stimme darum, sie noch einmal in den Arm zu nehmen. Beide Mädchen verstarben nach einer intensiven und kostspieligen Behandlung.

Bereits am Anfang des Jahres sind viele Kinder an Krebs gestorben. Darunter die 4-jährige Esmeralda. Sie hatte einen Hirntumor. Eine kurze Zeit später wurde uns ihr Bruder Jose ins Zentrum gebracht, er ist 12 Jahre alt und leidet an einem Neuroblastom. Die zweithäufigste Krebserkrankung im Kindesalter.“

Diese traurigen Beispiele sind nur ein kleiner Bruchteil von vielen Weiteren im Zentrum von Aristides. Die Behandlungen im Krankenhaus sind teuer und müssen größtenteils selbst finanziert werden. Mithilfe von Spendengeldern – auch aus Hallenberg über den Verein Building ONE World – konnten solche Kosten unterstützt werden und weitere Hilfemaßnahmen sichergestellt werden. Dazu gehörten auch Kosten für private Notfall-Transporte in die Krankenhäuser, da seit Beginn der Pandemie kaum noch Krankenwagen zu erreichen sind.

Das große Problem in Bolivien ist neben der fehlenden Struktur zur Krisenbewältigung die mangelhafte gesundheitliche Situation und das Fehlen notwendiger Behandlungen im Land. Viele schwere Fälle von Leukämie beispielsweise müssen im Nachbarland Argentinien behandelt werden. Auch einige Kinder aus dem „Casa de Niños“ mussten kurz vor Weihnachten noch nach Buenos Aires gebracht werden, in der Hoffnung auf Hilfe der dortigen medizinischen Möglichkeiten. Die Reise ist für viele Familien ohne die Unterstützung von Aristides und seinem Team nicht möglich. Trotz der Hoffnung auf eine bessere medizinische Versorgung ist der Weg kräftezehrend und die Aussicht auf Heilung oft sehr schlecht.

Traditionell wird der Tag der Toten „Dia de los Muertos“ den Verstorbenen gewidmet. In Bolivien wird dazu ein Altar errichtet, auf den Leckereien gestellt werden, welche die Verstorbenen gerne gegessen oder getrunken haben. Auch im Zentrum von Aristides wurde den vielen verstorbenen Kindern, Jugendlichen, Familien und Mitarbeitenden gedacht. Viele von ihnen sind in Folge der Pandemie gestorben. Notwendige Behandlungen wurden erschwert und für die vielen schwer erkrankten Kinder und Jugendlichen im Zentrum von Aristides ist die Lage seit der Pandemie umso prekärer geworden.

Building ONE World unterstützt auch weiterhin mit Spenden die wichtige Arbeit von Aristides und seinem Team. Julian Mönxelhaus ist Mitglied des Vereins und hat auch den ständigen persönlichen Kontakt zu dem Leiter des Zentrums.

Ohne Spenden aus Deutschland wären notwendige Behandlungen gar nicht erst möglich, weshalb wir Aristides und sein Zentrum auch weiterhin über Building ONE World unterstützen wollen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir trotz der Pandemie in Deutschland ein weitgehend funktionierendes Leben haben. Die notwendigen Einschränkungen haben das Ziel, Menschenleben zu schützen. Viele schwer erkrankte Kinder und Jugendlichen in Bolivien haben nicht die Möglichkeit, ihr kostbares Leben zu schützen und sind während der Pandemie auf das verantwortungsvolle Handeln anderer angewiesen.

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