Ende Mai 2018 flogen Julian und Helga Mönxelhaus nach Shkodra in Albanien und trafen dort im Mutterhaus die Oberin Sr. Rita und zwei ihrer Mitschwestern zu einer ersten Besprechung unserer Hilfsaktion.
Tags zuvor waren die Kleider- und Sachspenden aus Deutschland durch die FeG-Auslandshilfe (Freie evangelische Gemeinden) in Eschenburg-Wissenbach mit ihrem LKW angeliefert worden. Über 100 große Kartons standen nun in Sr. Ritas Doppelgarage, vorwiegend Kinderkleidung und –schuhe, die von Helga Mönxelhaus in monatelanger Arbeit gesammelt, teilweise ausgebessert, sowie sortiert worden waren. Die ganze Familie hat mit angepackt, als es ums Verpacken und Transportieren ging.
Auf die Idee, dass im Armenviertel, in dem die Ordensschwestern „Guter Hirte“ leben, Hilfe benötigt wird, hat uns der BOW-Unterstützer Pfarrer Meinolf Wacker aus Kamen gebracht. Er war letztes Jahr mit vielen Jugendlichen aus aller Welt dort, um das Go4peace-Camp durchzuführen. Er hat uns berichtet, dass es sich bei dem Armenviertel Fermentim eigentlich um ein stillgelegtes Industriegebiet handelt, also um Fabrikgebäude, in denen viele mittellose Menschen so etwas wie Obdach gefunden haben. Eigentlich lebten sie früher in den Bergen rund um die Stadt Shkodra. In der Hoffnung, in der Stadt ein besseres Leben zu finden, zogen sie einst in die Stadt. Es gibt für sie keine Arbeit, keine Perspektive. Der Lohn für 1 Tag Arbeit liegt in Shkodra lediglich bei 3 €. Die staatlichen Schulen befinden sich auf einem niedrigen Bildungslevel, Geld für die kirchlichen Schulen haben viele Familien nicht. Mittendrin befindet sich das Gemeindehaus und eine Kirche der Schwestern, eine Zuflucht für die Bewohner von Fermentim und für die Menschen aus den Bergen um Shkodra. An einem regnerischen Abend haben wir selbst erlebt, wie eine junge Frau aus den Bergen, schwanger mit Drillingen, abends bei den Schwestern schellte, weil sie sich mit heißem Wasser verbrannt hatte und einen Verband brauchte. Die Schwestern leisten auch Arbeit auf medizinischem Gebiet, sind aber gar nicht ausreichend ausgestattet dafür. Ohne diese medizinische Versorgung aber hätten die Menschen sonst keine Anlaufstelle. Im Krankenhaus und bei Ärzten kostet jede Hilfe Geld und viele haben dieses nicht über. Im Mutterhaus ist auch der Kindergarten untergebracht.
Nach kurzer Besprechung war sofort klar, dass wir schon am nächsten Tag mit der Verteilung beginnen wollten. Zunächst haben wir nur die Sommersachen verteilt und schauten in dankbare Kinderaugen. Die Winterkleidung wird im Herbst von den Schwestern selbst verteilt.
Wenn man von Albanien hört, ist man zunächst zurückhaltend. Denn oft ist dieses Land mit vielen Negationen verbunden. Aber wir kamen in ein überaus gastfreundschaftliches Land, das gerade den Tourismus für sich entdeckt hat. Wir sahen viele Straßenhunde. An der großen Busstation saßen Roma und bettelten um ein paar Albanische LEK. Auf den chaotischen Straßen laufen vereinzelt Kühe herum und es fahren auch Eselskarren. Es gibt viele Gotteshäuser in Shkodra: Moscheen, katholische und orthodoxe Kirchen. Wir erfuhren von den Ordensschwestern, dass die Anhänger aller Religionen friedlich zusammenleben. Wir waren gerade in der Zeit zum Ramadan in Albanien. Der muslimische Glauben stellt die größte Glaubensgemeinschaft im Land dar. Bis tief in die Nacht haben wir die Rufe des Muezzins gehört.
Während der Verteilaktion kam ein Junge und sprach sehr gutes Deutsch mit uns: er hatte 2 Jahre in Höxter in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt und wurde dann mit seiner Familie abgeschoben. Ein Mädchen sprach Deutsch, weil sie es in der Schule lernt. Viele sprachen Englisch, ebenfalls durch Englisch-Unterricht in der Schule. Schon während des ersten Gesprächs mit Sr. Rita stellte sich heraus, dass sie gut Spanisch spricht. Warum? Genauso wie Julian war sie längere Zeit in Bolivien und hat dort gearbeitet. Und als Julian erzählte, dass er als Missionar auf Zeit in Bolivien war, kam schnell die Idee, dass wir Sr. Rita dabei helfen wollen, auch Freiwillige aus Deutschland zu bekommen, die ihr und den anderen Schwestern tatkräftig zur Seite stehen könnten. Die Schwestern haben uns immer liebevoll bekocht. Beim Essen gab es Gespräche rund um die Not der Menschen, aber auch interessierte Fragen zu Deutschland, zur deutschen Politik und zur so genannten Flüchtlingsproblematik. Als typisch deutsch und durchaus lobenswert betrachteten die Schwestern die Tatsache, dass wir vor Ort waren, dass wir nicht nur einfach die Sachen geschickt haben!
Auf der Rückreise mit dem Bus von Shkodra Richtung Dubrovnik fiel uns noch etwas auf: im Hinterland der großen Stadt gab es viele Wiesen und Weiden. Aber während der einstündigen Fahrt aus Albanien raus sahen wir genau 3 Mal eine einzige Kuh auf einer Weide, sonst nur ab und zu wenige Schafe, Ziegen oder Hühner. Eine Frau führte eine völlig abgemagerte Kuh zum Weiden an der Straße entlang. Zwei weitere tolle Begegnungen sollen hier nicht unerwähnt bleiben. In der Einkaufsstraße in Shkodra trafen wir auf 2 Vertreter von Renovabis Deutschland. Das Fernsehen und eine Lokalpolitikerin waren auch da, um den Jahrestag der Befreiung des Gefängnisses und Arbeitslagers in Spac im Jahr 1991 zu feiern. Renovabis hat sich dafür engagiert, dass in Spac eine Gedenkstätte gebaut wurde. An diesem Tag waren auch ehemalige Insassen anwesend, die alle zu Unrecht inhaftiert waren. Das damalige Regime hat dort alle Andersdenkenden und politisch unbequeme Menschen eingesperrt.
Die andere Begegnung hat in Dubrovnik stattgefunden, wo wir auf unser Flugzeug nach Deutschland warteten. Wir hörten am Nachbartisch, wie eine junge Erwachsene auf Englisch um kostenloses Essen bat, weil man ihr in Bosnien das Geld gestohlen hatte. Wir wollten helfen und kamen ins Gespräch. Die junge Frau kommt aus Holland und kam gerade von der Bosnischen Grenze, die nicht weit von Dubrovnik entfernt ist. Sie hat in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo eine vertrauensvolle Person gesucht und gefunden. In Holland sammelt sie Kinderkleidung und möchte sie in Sarajevo verteilen lassen. Als wir sie zum Bus brachten, der sie zum Flughafen bringen sollte, versprachen wir, dass wir in Kontakt bleiben und zukünftig an einem Projekt zusammenarbeiten wollen.
Während unserer Reise standen wir ständig in Kontakt mit Pfarrer Wacker. Er hat uns immer begleitet. Und seine Pfingstpredigt in Kamen begann mit den Worten: Familie Mönxelhaus ist in Albanien angekommen…und endete mit der Frage: Wo wollen wir hin?
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