DSC_9582Als Vučko das Päckchen bei Mara (Foto, rechts) auf den Wohnzimmertisch stellt, fängt die alte Frau an zu weinen. Sie muss an Weihnachten denken, das Fest der Familie, das sie auch in diesem Jahr ganz allein verbringen muss. Ihre Kinder sind über ganz Europa verstreut, haben ihre eigenen Familien, müssen arbeiten. Ihr Mann ist schon seit vielen Jahren tot. Die Seniorin ringt um Fassung. Schließlich kommt ihr doch ein Lächeln über die Lippen, als sie in Vučkos Knopfaugen blickt.

So wie Mara geht es vielen alten Menschen in dem 1000-Einwohner-Dorf Srednja Slatina. Früher gab es dort eine intakte Dorfgemeinschaft mit vielen Festen, die Kirche war der Lebensmittelpunkt. Doch der Krieg vor 20 Jahren hat alles verändert: Heute sind die Straßen verlassen, zur Messe kommt nur noch eine Hand voll Leute. Die meisten Einwohner sind alt und alleinstehend.

Auch Snježana, Mitte 50, die gut Deutsch spricht und Vučko  auf seiner Tour durch das Dorf begleitet, ist traurig über die Entwicklung. Ilka, eine alte Dame, die Vučko viele Jahre lang besucht hat, sei letzten Monat gestorben, berichtet sie. Auch Pero lebe nicht mehr. “Wieder zwei weniger.” Gibt es denn keine Kinder im Dorf? Snježana muss überlegen. “Doch zwei Kinder gibt es”, sagt sie und wechselt das Thema.

DSC_9583Dennoch ist die Freude groß, wenn Vučko die alten Leute besucht und seine Weihnachtspakete verteilt. Danica (85) richtet sofort den Tisch für die Gäste her. Auf ihren Stock gestützt eilt sie in die Küche und holt Plätzchen und Saft hervor. “Könnt ihr in Deutschland keine Arbeit für mich finden?”, scherzt sie. “Was können Sie denn arbeiten?” – “Egal, ich arbeite überall, wo ich gebraucht werde.” (Foto von links: Sebastian, Vučko, Danica, Peter und Snježana)

DSC_9584An Vučkos letzter Station ist schließlich fast gar nichts mehr von Trauer und Depression zu spüren. Schweinebauer Drago – mit Ende 40 einer der Jüngsten im Dorf – lässt sich nicht unterkriegen. Gemeinsam mit seiner Frau Róža (Foto beim Tanz mit einem Welpen) und seiner Mutter Katarina lebt er in einem Haus, das er selbst vor zehn Jahren erbaut hat und das immer noch nicht fertig ist. Schon von Weitem ist das Gebell der Hundewelpen zu hören, die sich im Garten tummeln. Dazwischen laufen Hühner und Gänse. Der Schweinestall ist gerade leer, vor Kurzem wurde geschlachtet, neue Schweine gibt`s erst im Frühjahr.

Drago freut sich, als er Vučko sieht, hat den vorweihnachtlichen Besuch schon erwartet. Sofort plündert er die Speisekammer, seine Frau brät die frisch geschlachtete Wurst in der Pfanne an und serviert eingelegtes Gemüse dazu. Beide freuen sich über die Geschenke, die Vučko im Gepäck hat, aber sie möchten etwas zurückgeben. Beim Essen erzählt Drago von den Ereignissen des vergangenen Jahres, vom Neubau des Schweinestalls, vom Schlachtefest, von einem riesigen Fisch, den er gefangen hat… “Frohe Weihnachten”, wünscht er Vučko zum Abschied. “Und komm nächstes Jahr wieder!”

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Fotos: Drago freut sich über ein Maßband in seinem Paket, Mutter Katarina über einen Schal.

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