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Ein Auslandssemester führte unser Mitglied Julian Mönxelhaus für sieben Monate nach Nicaragua. Er studiert soziale Arbeit und arbeitete in einem Projekt für Familien in einem Armenviertel. Er berichtet, wie Armut zur Tagesordnung gehört und den Jugendlichen jegliche Zukunftschancen verbaut:

Wo man hinschaut: Obdachlose, Kinderarbeiter, Bettler. Das Bild der Hauptstadt Managua geht unter die Haut und spiegelt besonders deutlich wider, wie es dem Land Nicaragua geht. Obwohl es in Zentralamerika als ein sicheres Land gilt, lässt die Lage in seiner Metropole zu wünschen übrig.  Das Stadtbild ist chaotisch und unorganisiert. Das Stadtgebiet ist mehrfach von Erdbeben zerstört worden. Im Jahr 1979 fielen einem solchen Erdbeben 90% der  Bausubstanz im Ballungsgebiet Managua zum Opfer. Viele Viertel wurden ohne Plan wieder aufgebaut und bilden das chaotische Stadtbild der zweitgrößten Stadt Zentralamerikas.

E13A8110Heute ist das der Grund, wieso eine große Unsicherheit herrscht, denn gut bewachte und gesicherte Wohnviertel wechseln mit Armenvierteln ab. Die „Barrios“ sind Wohnviertel aus Holzresten oder Wellblechhütten, die größtenteils weder an die Wasserversorgung angeschlossen sind, noch ein geregeltes Abwassersystem haben. In diesen Vierteln herrschen Hunger, größte Armut und außerdem eine sehr hohe Kriminalität.

Bildung für Kinder und Jugendliche

In einem dieser Viertel besteht das Projekt “NATRAS”. Die Abkürzung steht für Kinder, Jugendliche und Arbeiter in den Straßen, die Idee für dieses Projekt wurde 1990 von der kirchlichen Gemeinschaft „Comunidades Ecleciales de Base“ (CEB) ins Leben gerufen. 50 Kinder und Jugendliche aus 27 Familien sind zur Zeit involviert. Die schlechte wirtschaftliche Lage ist der Grund, wieso viele Familien das Projekt besuchen. Viele der Kinder und Jugendlichen kommen aus schwierigen Familienverhältnissen, in denen oftmals Alkoholmissbrauch und Gewalt an der Tagesordnung sind. Unser Ziel: Bildung auf christlicher Basis ist hier die oberste Maxime – als die einzige Möglichkeit, irgendwann dem Elend zu entfliehen.

E13A7725Unsere Arbeit widmet sich aber nicht nur den Kindern und Jugendlichen, sondern auch den Eltern. Morgens ist das Team von vier Pädagogen und einem Psychologen in den Straßen der Barrios unterwegs und besucht die Familien in ihren Hütten. Es wird über soziale Probleme gesprochen und versucht, Unterstützung im Alltag zu bieten. So bekommen die Mitarbeiter einen Eindruck von dem Leben und den Problemen der Menschen in den Barrios und können manchmal auch sofort helfen.

Für Bildung ist kein Geld übrig

Neben den Hausbesuchen steht auch der Besuch in den umliegenden Schulen, die die jungen Leute vormittags besuchen, auf dem Programm. Wenn ein Kind oder Jugendlicher ins Projekt kommt, ist der Schulbesuch Pflicht. Die Bildung in Nicaragua lässt zu wünschen übrig, viele Kinder gehen nicht oder nur unregelmäßig zur Schule. Die Schulen sind miserabel ausgestattet und die Lehrer werden schlecht bezahlt. Fast ein Viertel der Bevölkerung sind Analphabeten. Wenn das Geld gerade so zum Überleben reicht, wird der Bildung weniger Wichtigkeit E13A7694zugesprochen. Somit sieht man viele Kinder schwer schuftend mit ihren Eltern bei der Arbeit, um ein bisschen zum Familieneinkommen beizutragen.

Das Projekt NATRAS arbeitet dem entgegen und motiviert die Kinder und Jugendlichen zur Schule zu gehen. Die Mitarbeiter kontrollieren, ob ihre Schützlinge regelmäßig zum Unterricht erscheinen. Das Projekt trägt einen Großteil der Kosten für die Bildung der Kinder und Jugendlichen. So werden auch die Eltern ermutigt, ihren Kindern eine Unterstützung zu bieten, damit sie ihre Lebenssituation verbessern können.

Nachmittags kommen die Kinder in das Projekt, dort bekommen sie neben Hausaufgabenunterstützung auch Nachhilfeunterricht in allen Fächern.

Psychologische Unterstützung für mehr Selbstbestimmung

Das Projekt sieht sich auch als Anlaufstelle in therapeutischer Hinsicht.  In Zusammenarbeit mit Psychologiestudenten der Universitäten werden wöchentliche Seminare vorbereitet, die Raum bieten, über soziale Probleme und Traumata zu sprechen. Seit kurzem darf das Team von NATRAS auch eine Psychologin willkommen heißen. Sie arbeitet besonders mit den Mädchen im Projekt, die oft in eine traditionelle Rolle hereinwachsen und nur wenig Selbstbestimmung über ihr Leben haben.

E13A7818Das Leben in den Barrios von Zentralamerika ist hart und geprägt von Gewalt. Viele der Kinder verlieren Familienmitglieder durch Krankheiten oder Bandenkonflikte. Während meiner Zeit wütete in der Regenzeit eine Serie von Dengue-Fieber-Fällen, die schon mehr als 50 Todesopfer im Land gefordert hat. Die Regierung spricht von einer Epidemie.

Mückenplage fordert Todesopfer

Das von Mücken übertragbare Fieber wird auch “Knochenbrecher-Fieber” genannt, da sich ein Schmerz im ganzen Körper ausbreitet. Das ist meistens mit hohem Fieber verbunden. Es gibt jedoch weder Impfungen noch Medikamente, um die Krankheit in den Griff zu bekommen. Besonders in den dreckigen, stinkenden Wellblechhüttensiedlungen ist die Gefahr, das Fieber zu bekommen, höher. Auch wenn die Regierung mittlerweile viele Gebiete durch das Ausräuchern der Häuser im Griff hat, wird sich das Problem der Mückenplage nicht so einfach lösen.

Der Müll landet in Managua einfach so auf den Straßen. Wenn es zu viel Müll gibt, wird er einfach zu einem Haufen zusammengekehrt und verbrannt. Die dreckige Umgebung ist ideal für die Mücken, um sich fortzupflanzen.

Kinder ohne Kindheit

E13A8103Meine Arbeit im Projekt konzentrierte sich besonders auf die neu aufgenommenen Familien und des Projektes. Sie werden zu einer gemeinsamen Gruppe zusammengebracht, da viele der Kinder und Jugendlichen im Projekt schon einen Prozess durchgemacht haben. Sie sind in anderen Gruppen untergebracht, in denen ihr Prozess fortgesetzt werden kann. Der Anfang ist für alle schwierig, für uns und für die Kinder. Das harte Leben zerrt an ihnen und es fehlt ihnen oftmals an Respekt und Verantwortung. Das sind Kinder ohne Kindheit, ohne Perspektive, ohne Vorbild.

Neben den schulischen und therapeutischen Angeboten gibt es im Projekt auch kulturelle und kreative Aktivitäten. Neben Tanzangeboten, Gesangsunterricht und Theaterstunden wird auch Sport angeboten. Die Kinder und Jugendlichen verbringen den ganzen Nachmittag im Projekt, danach geht es wieder zurück zur Familie.

E13A7887Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass die Kinder im Projekt eine Mahlzeit erhalten. Viele der Kinder sind unterernährt. Meistens gibt nur das Nötigste, damit der Hunger gestillt wird. Des Weiteren sind die Mahlzeiten sehr eintönig. Neben Reis und Bohnen gibt es ein wenig Salat, ab und an mal ein Stück Käse oder Fleisch. Im Projekt bekommen die Kinder Mahlzeiten, die ausgewogener sind. Somit wird ihnen auch das „richtige Essen“ nahegebracht. In den Barrios gibt es keine Märkte oder Verkaufsstellen. Einige der Familien verkaufen vereinzelte Sachen und es gibt Mini Kioske. Diese sind aber nur sehr dürftig ausgestattet. Außerdem haben nur die Wenigsten Gärten, in denen Gemüse angebaut wird. Deshalb gestaltet sich das „abwechslungsreiche Essen“ schwieriger in den Familien.

Regierung macht leere Versprechungen

Unsere Arbeit in den Barrios ist sehr wichtig, da sich seitens zuständiger Stellen nur wenig tut, um zur Verbesserung der Situation beizutragen. Die Regierung verspricht viel, jedoch ist bisher wenig Erfolg zu vermerken. Immerhin hat ein Alphabetisierungsprogramm seitens der Regierung dafür gesorgt, dass der Analphabetismus  gesunken ist. Lesen und Schreiben ermöglicht vielen eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben auf sozialer, wirtschaftlicher und politischer Ebene. Das Projekt bietet vielen Familien in den Armenvierteln eine Unterstützung, solche Prozesse zu realisieren.

PedroEs ist eine große Bereicherung an Erfahrungen, die ich mit dieser Arbeit bekommen habe. Ich war Teil der täglichen Anstrengung, den Alltag zu meistern. Es ist  teilweise sehr gefährlich, sich in Managua zu bewegen. Und besonders in den Barrios, in denen unser Projekt arbeitet, herrscht eine sehr hohe Kriminalitätsrate. Wenn um 18 Uhr die Sonne untergeht, ist es besser, wenn man sich nicht mehr  alleine in den Straßen aufhält. Das gilt auch für die Wohngegend, in der ich gelebt habe. Kriminalität gehört hier zum Überlebenskampf, viele Menschen haben einfach nur Hunger.

Mehrere Generationen leben in einem Raum zusammen

„Armut“ in Nicaragua liegt weit unter der Definition, die wir in Deutschland von Armut haben. In den meisten Häusern, die provisorisch aus Holz und Wellblech zusammengebaut wurden, wohnen mehrere Generationen meist nur in einem Raum. Dieser ist durch Tücher oder Pappe unterteilt, damit man sich wenigstens ein bisschen Privatsphäre schaffen kann.

Wie geht es weiter?

NATRAS PROJEKTZurzeit sondiere ich einige mögliche Hilfsmaßnahmen, um das Projekt NATRAS auch von Deutschland aus weiter zu unterstützen. Zum Einen besteht die Idee, dem Projekt Geld für medizinische Maßnahmen zu spenden. Viele der Kinder haben weder Krankenversicherung, noch reicht das Geld um zum Arzt zu gehen. Die Stellen, die kostenlos arbeiten, sind überlaufen und miserabel ausgestattet. Das Projekt plant eine interne Verbesserung der Gesundheitsfrage der Kinder. Besonders im Bereich der Ernährung soll auch mit unserer Hilfe in Zukunft ermöglicht werden, dass kein Kind oder Jugendlicher hungrig nach Hause gehen muss.

Das geplante Projekt ist ohne Spenden nicht möglich und somit ist auch Ihre Hilfe dringend notwendig. Es reichen schon für europäische Verhältnisse kleine Spenden, die in Nicaragua Großes bewirken können. Es ist mir ein großes Anliegen, nachzuweisen, dass wirklich alle Gelder ins Projekt fließen und nichts von dem Gespendeten in andere Taschen gelangt. Während meiner Zeit habe ich viele Kontakte vor Ort aufgebaut, die mir garantieren können, dass Ihr Spendengeld in Nicaragua ankommt.

Des Weiteren fehlt es in Nicaragua an Kleidung. Besonders Schuhe sind Mangelware und sind viel zu teuer. Viele der Kinder tragen viel zu kleine Schuhe, sodass sich Missbildungen im Körperbau bemerkbar machen.

Wenn auch Sie mithelfen wollen oder weitere Informationen wollen, können Sie mich gerne unter der Projektadresse managua@https://www.building-one-world.org erreichen.

Nicaragua – das Armenhaus Mittelamerikas

Nicaragua grenzt im Norden an Honduras und im Süden an Costa Rica. Das Land hat Zugang zu zwei Ozeanen und trennt den Pazifik von der Karibik im atlantischen Ozean. Das Klima ist sehr tropisch, es herrscht das ganze Jahr über eine Temperatur von durchschnittlich 30 Grad. Dazu kommt eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Nicaragua wird oft als das Armenhaus Mittelamerikas betitelt. Statistisch gesehen ist das Land das zweitärmste auf dem Kontinent, nur Haiti geht es “schlechter”. Rund 45 Prozent der Menschen in Nicaragua leben von weniger als einem US Dollar pro Tag.

Nicaragua war lange Zeit eine Diktatur, in der die Somoza Familie mit politischer Gewalt herrschte. Nach dem Sturz 1979 durch die linksorientierte Guerillaorganisation „Frente Sandinista de Liberacion Nacional“ (FSLN) kam es zu einem jahrelangen Bürgerkrieg, der das Land und die Leute weiter in die Armut führte. Seit 2007 ist die FSLN unter Daniel Ortegas wieder an der Macht und versucht den Menschen in Nicaragua ein besseres Leben zu ermöglichen.

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